Das Nightstar Projekt

Ex-Nightstarwagen (c) Marc Dufour

Oder: Der Zug, der niemals fuhr. Im Jahr 1994 wurde der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal eröffnet. Das ursprüngliche Betriebskonzept sah neben den Hochgeschwindigkeitszügen (Eurostar) auch Nachtverbindungen zwischen der britischen Insel und dem Kontinent vor. Geplante Ziele auf der Insel waren neben London die Städte Swansea, Plymouth, Manchester und Glasgow, die mit Paris, Amsterdam, Dortmund und Frankfurt verbunden werden sollten. Im Laufe des Projekts wurden die Zielbahnhöfe allerdings mehrfach geändert.

Die Züge sollten aus 7- oder 8-teiligen Einheiten bestehen, und hätten jeweils Sitz-, Schlaf- und Servicewagen geführt. Hierfür wurden 139 Wagen in Auftrag gegeben, die allerdings in Europa nie zum Einsatz kommen sollten. Von 1992 bis 1997, als das Projekt auf Eis gelegt wurde, wurden 45 Wagen fertiggestellt, 32 teilweise. 1999 wurde die Pläne endgültig aufgegeben. Die vorhandenen Fahrzeuge wurden 2001 an die kanadische Bahngesellschaft Via Rail verkauft.

In Großbritannien hätten speziell entwickelte elektrische Mehrsystemlokomotiven die Nightstar-Garnituren gezogen. Im Tunnelabschnitt wäre der Zug mit je eine solche Lok vorne und hinten ausgestattet worden, um im Notfall zwei Zughälften herausziehen zu können. In Frankreich wären die Nightstars dann von neuen Lokomotiven der SNCF übernommen worden. Für nicht-elektrifizierte Strecken in Großbritannien sollten Diesellokomotiven in Doppeltraktion eingesetzt werden. Außerdem wären zusätzliche Generatorwagen für die elektrische Zugausrüstung notwendig gewesen.

Trotz attraktiver Ziele stand der Nightstar von Anfang an unter keinem guten Stern:

  • Die Züge mussten sowohl britischen als auch verschiedenen kontinentaleuropäischen Normen entsprechen, sowie nochmals besonderen Anforderungen für die Fahrt im Kanaltunnel. Im Ergebnis wurden sehr schwere Fahrzeuge konzipiert, die eine vergleichsweise niedrige Fahrgastkapazität besaßen.
  • Mehrfachen Verzögerungen der Betriebsaufnahme aufgrund unklarer Vorgaben und technischer Probleme stand eine rückläufige Nachfrage (Aufkommen von Billigfliegern) gegenüber.
  • Im Umfeld der Bahnprivatisierung in Großbritannien wurden Synergien, Know-How und finanzielle Ressourcen zersplittert.
  • Der Hochgeschwindigkeitszug Eurostar nutzt ein separates, vom übrigen Bahnverkehr getrenntes Terminal. Um an Bord der Züge zu gelangen, sind – wie beim Fliegen – ein Check-in sowie Pass- und Sicherheitskontrollen erforderlich. Solche separaten Anlagen wären auch für an allen Haltepunkten des Nightstar vorzuhalten gewesen.

Weitere Informationen in einem Webarchiv und bei Wikipedia. Hier findet man eine Bildergalerie der Wagen im kanadischen Einsatz. Für ein künftiges europäisches Nachtzugsystem gilt es auch, aus den Fehlern des Nightstar-Projekts zu lernen.

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