Ein Jahr erweiterter ÖBB Nachtverkehr

Nacht- und Autoreisezüge sind ein wesentlicher Bestandteil des ÖBB Fernverkehrsangebotes und langfristig, also auch über das Jahr 2023 hinaus, fix eingeplant.

Erwin Kastberger, Produktmanager Nightjet bei ÖBB Personenverkehr

Nach dem Rückzug der Deutschen Bahn bieten die Österreichischen Bundesbahnen seit nun fast 1 Jahr ein erweitertes Nachtzugangebot in Deutschland an. Aus diesem Anlass hat www.nachtzug-retten.de die ÖBB nach ihren Erfahrungen und weiteren Plänen befragt:

Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht? Was machen die ÖBB anders als die Deutsche Bahn? Welche Reaktionen von Fahrgästen haben Sie erhalten?

Mit dem erweiterten Nightjet-Angebot ergeben sich für die ÖBB erhebliche Synergien zum bestehenden Nachtreisezugnetz. So können die Nightjets von Düsseldorf bzw. Hamburg nach Innsbruck bis Nürnberg gemeinsam mit den bestehenden ÖBB Nachtreisezügen nach Wien geführt werden. Auch die ÖBB Nightjet-Verbindungen von München nach Venedig, Rom und Mailand können in Salzburg bzw. Villach mit den bestehenden ÖBB Nachtzügen ab Wien vereinigt werden. Darüber hinaus ergeben sich durch die Kombination der ÖBB Nightjets mit der Auto- und Motorradbeförderung positive Effekte. Die Bewirtschaftung der Züge erfolgt aus einer Hand durch einen international erfahrenen Caterer, damit werden Doppelgleisigkeiten vermieden und Kosten gesenkt.
Auch die Beurteilung der Fahrgäste freut uns sehr: 81% geben an, den Nightjet wieder nutzen zu wollen und mehr als 2/3 werden uns weiterempfehlen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn? Gibt es Punkte, an denen noch optimiert werden muss?

Die deutsche Bahn erbringt die Leistungen für den Nightjet sehr professionell und in der gleichen Qualität wie die Leistungen, für die sie selbst verantwortlich ist. Einzelne betriebliche Probleme v. a. in Hamburg Altona werden durch eine Reorganisation des Angebotes im Fahrplan 2018 reduziert werden.

Die Bahncard und DB Sparpreise waren zunächst auf 1 Jahr befristet im Nightjet anerkannt. Wird diese Regelung verlängert bzw. dauerhaft eingeführt?

Inhaber einer DB BahnCard 25, 50, 100 erhalten für alle ÖBB Nightjet-Verbindungen ab/in bzw. nach Deutschland Ermäßigungen. DB-Sparpreise werden auf den Nightjet in Deutschland voraussichtlich noch bis 9. 6. 2018 gültig sein. Danach werden auf den Zügen nur mehr Globalpreise und Pässe anerkannt. Es gibt aber eine verbesserte Verkaufbarkeit von Vor- und Nachläufen auf www.bahn.de, sodass deutsche Kunden hier weiterhin günstige Fahrscheine für Nightjet-Verbindungen auch online kaufen können.

Wie sieht es mit dem Fahrgastzuspruch aus? Haben sich die Erwartungen der ÖBB erfüllt? Wird sich die ÖBB dauerhaft in Deutschland engagieren?

Wir liegen auf Plan und werden am Ende des Fahrplanjahres 2017 rund 1,4 Mio. Reisende befördert haben.
Es hat bei den ÖBB Tradition, dass wir unser Engagement für bestimmte Produkte langfristig auslegen. Nacht- und Autoreisezüge sind ein wesentlicher Bestandteil des ÖBB Fernverkehrsangebotes und langfristig, also auch über das Jahr 2023 hinaus, fix eingeplant. Gerade die Verkehre von und nach Deutschland sind für die ÖBB besonders wichtig.

Wer fährt mit dem Nachtzug?

Der Großteil der Reisenden nutzt den Nightjet für private Reisen und ist zumindest zu zweit unterwegs. Besonders beliebt ist der Nightjet auch bei Familien mit Kindern, für die es mit dem Familienabteil (2 Erwachsene mit 2 Kindern zum Pauschalpreis inkl. Frühstück) ein eigenes Angebot gibt.

Machen sich die teils parallel verkehrenden IC/ICE-Züge der DB als Konkurrenz bemerkbar?

Natürlich wählen viele Kunden auch die Angebote der DB Nacht-ICs. Aber nachdem wir mit der Auslastung zufrieden sind, hat das Gesamtangebot von DB und ÖBB vermutlich insgesamt zu einer Zunahme der Fahrgäste auf den betroffenen Relationen geführt.

Welche Rolle spielen der Kfz-Transport und die Fahrradmitnahme für Ihre Kunden?

Die Nachfrage liegt trotz der Einstellung der Tagesverbindungen bei knapp 70.000 transportierten Fahrzeugen pro Jahr – das bedeutet eine deutliche Steigerung der Auto- und Motorradbeförderung in den Nachtreisezügen. Und auch die Fahrradmitnahme ist ein wichtiger Bestandteil des Nightjet-Angebotes.

Wie läuft das Modernisierungsprogramm für den Wagenpark weiter? Wann und auf welchen Strecken werden die ersten neu designten Fahrzeuge eingesetzt werden?

Ab 2018 wollen die ÖBB modernisierte Multifunktions-Liegewagen mit völlig neuem Design einsetzen, ab 2021 sind für den Italienverkehr vollständig neue Züge geplant: 13 Züge mit Multifunktionswagen mit Rollstuhl-Bereich und Fahrradmitnahme, Liegewagen und Schlafwagen der neuen Generation.

Der bisher von der ungarischen Bahn betriebene EN Metropol wird im Jahr 2018 nicht mehr zwischen Wien und Berlin verkehren – wäre das nicht eine interessante Verbindung für den Nightjet?

Die ÖBB bedauern außerordentlich, dass sich die MAV-START zur kurzfristigen Reduktion des Angebots der Verbindung Wien – Berlin entschieden hat. Für das Jahr 2018 sehen die ÖBB aber keine Möglichkeit, den Zugteil bis Berlin in das Nightjet Netzwerk zu integrieren. Daher wird der Nachtzugverkehr vorerst von Wien auf Prag eingekürzt. Ein Relaunch der Nachtverbindung Wien – Berlin ab 2019 wird bei den ÖBB derzeit intern geprüft.

Wo sehen Sie mittel- und langfristige Perspektiven für weitere Nightjet-Verbindungen in Deutschland und Europa? Halten Sie dafür auch neue Kooperationen für möglich?

Wir wollen in den nächsten Jahren das bestehende Angebot effizient produzieren und verkaufen. In diesem Zeitraum ist aufgrund der Fahrzeugsituation nicht geplant, zusätzliche Strecken aufzunehmen. Nach der Lieferung der neuen Nachtfahrzeuge werden wir bei weiterhin positiver Marktentwicklung über eine Angebotsausweitung nachdenken.

Welche Rahmenbedingungen müssten ggf. geändert werden, damit es zukünftig (wieder) mehr Nachtverkehre geben kann?

Aus Sicht der ÖBB wäre ein Wegfall der Mehrwertsteuer für internationale Zugtickets (analog der Schweiz und Italien und für den Flugverkehr in ganz Europa) eine wesentliche Maßnahme für einen fairen Wettbewerb. Auch eine weitere Reduktion der Trassenpreise in Deutschland bzw. der Verzicht auf eine Anhebung in Italien wären aus wettbewerblicher Sicht notwendig. Sollte die Politik künftig mehr Nachtverkehre wünschen, wäre auch eine Bestellung solcher Verkehre eine einfache Möglichkeit.

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